aus Silvesterknaller

Geheimgang macht Trebsen reich

Uwe Bielefeld sieht Licht am anderen Ende des Tunnels: Tourismus-Manager stehen bereits Schlange


 


Trebsen. Die Rivalitäten zwischen Trebsen und Grimma gehen bereits auf Trebsens einstigen Schlossherrn Hans von Minckwitz zurück. So wie er vor fast 500 Jahren den Grimmaern die Stirn bot, will auch sein Thronfolger, Uwe Bielefeld, der mächtigen Nachbarkommune das Wasser abgraben: „Sollte Grimma tatsächlich die Weltausstellung bekommen, würden die Besucher sicher nicht zu Grimmas Fluttunnel, sondern in unseren Geheimgang von Trebsen nach Nitzschka strömen.“
Ja, er wisse, wo sich der Eingang zu diesem weltweit einmaligen Bauwerk befindet, sagt Bielefeld mit spitzbübischer Miene und winkt zum Beweis wie der Gefängniswärter mit einem riesigen Schlüsselbund. Zahlreiche ältere Trebsener hätten ihm anvertraut, als Kinder mit Fackeln in diesem Tunnel unter der Mulde gestanden zu haben. Allerdings konnte sich niemand mehr an den genauen Einstiegspunkt erinnern. „In den 90-er Jahren schlüpfte ich höchstpersönlich in die Tauchermontur und entdeckte anhand uralter Lagepläne eben weitaus mehr als nur rostige Fahrräder“, lacht Bielefeld. Er hütet das Geheimnis des Jahrhunderte alten Ganges wie seinen Augapfel. Der Frage, ob sich darin tatsächlich – wie bereits vermutet – das Bernsteinzimmer befindet, weicht er gekonnt aus. Nur so viel: „Die Amerikaner starteten 1945 nicht ohne Grund von Trebsen aus zur legendären Begegnung mit der Roten Armee.“
Die Mulde bei Trebsen war schon immer heiß. Hans von Minckwitz, seines Zeichens Schlossherr und Hofmeister, wollte hier nachweislich schon vor etlichen Jahrhunderten eine Brücke bauen. Trebsen lag schließlich an einer der wichtigsten Handelsstraßen, an der legendären Salzstraße von Halle ins Böhmische. Da die Grimmaer Wind von der Sache bekamen und eine Konkurrenzbrücke in Trebsen wie der Teufel das Weihwasser fürchteten, beschwerten sie sich in Dresden. Der Kurfürst möge den Trebsenern den Brückenbau verwehren. Hans von Minckwitz aber klagte vor dem Oberlandesgericht seine Rechte als Ritter zu Trebsen ein und durfte schließlich bauen. Doch Minckwitz starb 1534, der geplante Brückenbau war schnell wieder vom Tisch, und die Trebsener mussten weiter mit der Fähre Vorlieb nehmen.
So weit die offizielle Geschichtsschreibung. Neuere Quellen aber belegen, dass von Minckwitz nur abgetaucht war. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Mit Steinen des ehemaligen Klosters Eicha bei Naunhof baute er den etwa drei Kilometer langen Geheimgang von seiner Residenz bis rüber zum Nitzschkaer Rittergut und lebte fortan fröhlich – wenngleich im Untergrund – bis ans Ende seiner Tage.
Die Grimmaer, die wegen der Trebsener Brückenpläne zwischenzeitlich bereits um ihre Zolleinnahmen zitterten, wähnten sich nun in Sicherheit. Doch pünktlich zu Beginn der Weltausstellung in Grimma will der Trebsener Noch-Schlossherr und Minckwitz-Erbe, Uwe Bielefeld, seine Urahnen rächen: „Ja, ich werde an besagtem Tage den Geheimtunnel eröffnen.“ Schon jetzt stehe die Tourismusbranche Schlange. Die Manager des Naturparks Muldenland, des Sächsischen Burgen- und Heidelandes, des Neuseenlandes, des Sächsischen Zweistromlandes und aller anderen Länder, die es hierzulande gibt, wollen sich die Rechte sichern. Denn während Grimma „nur“ einen Fluttunnel aufbieten will, erwartet Bielefeld in Trebsen eine wahre Flut von Touristen. Zum Leidwesen mutmaßlicher Natio- nalisten, die kürzlich an manche Häuserwände „Ausländer raus“ sprühten, werden – so Bielefeld – fortan hunderte Amerikaner, Russen, Australier und Japaner im Ort Quartier nehmen und die Be- völkerung von heute auf morgen reich machen.
Mehdorn und Tiefensee seien bereits im Schloss gewesen und hätten angefragt, ob dank des Geheimtunnels ein Intercity-Anschluss an das Netz des „Wilden Robert“ möglich sei. Schließlich könnten sie sich so den Einsatz des millionenschweren Bohrers „Leonie“ sparen. Schon jetzt geht es an der Mulde in Trebsen drunter und drüber: Während oberhalb Autos und Fußgänger die Brücke passieren, wird Biowärme zu Heizzwecken aus Neichen unter der Mulde ins Schloss gepumpt.
Bielefeld erteilt all jenen einen Absage, die nun vielleicht auf eigene Faust nach Geheimgang und Bernsteinzimmer suchen möchten: „Erst letztens glaubten Trebsener Mittelschüler, den Tunnel entdeckt zu haben. Aber es war nur der Frischwasserkanal für die rittergutseigene Brauerei. Überhaupt besitzt unser Schloss ein weit verzweigtes Kellersystem. Grabungen sind da zwecklos. Und vor allem brauchen die Grimmaer gar nicht erst versuchen, uns wie damals bei der Brücke Steine in den Weg zu legen.“
Haig Latchinian

Überglücklich: Der langjährige Schlossherr Uwe Bielefeld sagt dem Jahrhunderte alten Tunnel eine große Zukunft voraus. Foto: Ralf Zweynert